Integrationstests, Härtetests, Rechenzentrum, Serverraum

Rechen­zentrum und Server­räume – so nicht!

| Alice Hoffmann

Server­räume, mehr oder weniger groß oder klein, braucht jedes Unter­nehmen. Server­räume müssen funktio­nieren, sie sollen aber nichts kosten. Server­räume für hochver­fügbare Rechner­welten werden deshalb immer wieder und gerne in Leicht- und Schnell­bau­weise errichtet. Gipskar­ton­wände (GKW) mit Holz- oder Metall­stän­der­kon­struktion werden zusam­men­ge­schustert, um Millio­nen­werte aufzu­nehmen und vor allem Millio­nen­schäden an Betriebs­ausfall zu induzieren, wenn die Räume mal einem ungewollten “Härtetest” unter­zogen werden.

Warum ist die Konstruktion so mit Vorsicht zu genießen?

  1. Räume aus Gipskar­ton­wänden bergen ein immanentes Brand­risiko.
    Zwar erreichen die Wände die Qualität F90, doch handelt es sich bei den meisten um eine Prüfung im Labor. Oft werden solche Räume vermeintlich in F90 errichtet, ohne dass der Errichter die richtigen und geprüften Materialien in einer geprüften Konstruktion verwendet. Kaum ein Bauherr lässt sich die techni­schen Blätter und zerti­fi­zierte Konstruk­ti­ons­un­ter­lagen vorlegen.
  2. F90 heißt zudem nicht Brandwand!
    Hierfür ist Voraus­setzung, dass auch eine sog. Stoßprüfung (Stand­si­cher­heits­nachweis) statt­ge­funden hat. Diese ist auf bestimmte Tafel­größen und die Konstruktion der Ständer ausge­richtet. Wird die Wandgröße (Höhe) überschritten, ist das Bauteil ungeprüft und nicht als Brandwand F90 geeignet. Wenn also eine GKW von 265 cm Höhe geprüft ist, dann gilt das nicht für eine Wand gleichen Materials und gleicher Konstruktion von 365 cm Höhe.

    Und es gilt erst recht nicht, wenn der Serverraum in einem bestehenden Raum (z.B. Halle) errichtet wird und ein eigenes Dach, ebenfalls in Leicht­bau­weise, erhalten soll. Dann sollte auch die Decken­kon­struktion der gleichen Wertigkeit entsprechen (Brand- und Stoßprüfung) wie die GKW.
  3. Die Decken­kon­struktion ist oft proble­ma­tisch.
    Vor allem gibt es eine Reihe von Räumen, bei denen die Anschlüsse mehr als unbefrie­digend sind. Man kann schon im Vorhinein sagen: Schwach­stelle Decken­an­schluss zur Wand!
  4. Aber nicht nur wegen des Brand­schutzes ist die Stabi­lität wichtig.
    Viele dieser Server­räume werden im Wesent­lichen ohne Anwesenheit von Personen betrieben. Daher neigen die Betreiber dazu, sie mit automa­ti­schen Lösch­an­lagen auszu­statten. Die gasför­migen Lösch­mittel werden unter Druck gelagert. Beim Ausblasen dehnen sie sich natur­gemäß aus. Es entsteht Überdruck im Raum. Die Physik schafft dann u.U. “runde Räume”. Wenn man Glück hat, springen nur die Türen auf… Sicher kann man auch dagegen etwas tun: Druck­ent­las­tungs­klappen etc. Aber irgendwann fängt die Technik dann an, die schein­baren Kosten­vor­teile GKW tot zu rechnen.

    Aber selbst sog. System­räume halten die ggf. auftre­tenden Drücke nicht immer aus. In München wurde ein hochwer­tiger IT-Systemraum bei einer Probe­flutung „gesprengt“. Das kompli­zierte Zusam­men­spiel von Druck­ent­lastung und Flutung hatte nicht geklappt.
  5. Große Räume, 120 oder gar 300 qm groß, in Gipskarton zu erstellen, grenzt dann erst recht an Suizid-Neigung, wenn die Inhalte (Rechner) schlichtweg nicht ausfallen dürfen. Das Problem ist nicht allein der Brand­schutz, sondern sehr stark der Rauch­schutz.
    1. Klappen zum Schutz vor Brand und Rauch sowie zur Entrau­chung können in vielen Wänden nicht fachge­recht entspre­chend ihrer Zulassung eingebaut werden, weil die GKW die notwendige Bautiefe nicht haben.
    2. Es gibt Spezi­al­klappen mit Zulassung, doch diese scheitern gelegentlich daran, dass die Stützen­weite der Ständer­kon­struktion zu gering ist. Vergrößert man sie oder unter­fängt die Konstruktion, so kann es sein, dass die Wand schon wieder ihre bauart­liche Prüfung verloren hat. Dadurch kann z.B. unbemerkt der Versi­che­rungs­schutz für die Inhalte und der Schutz der Betriebs­un­ter­bre­chungs-Versi­cherung (FBU) verloren gehen.
    3. Sog. Lüftungs­steine sind in F90-GKW zugelassen. Ein solcher Raum hat aller­dings zwei Probleme: Brand­schutz auf der einen Seite, Rauch­schutz auf der anderen. Lüftungs­steine schließen bei Beflammung ihre Öffnungen langsam, aber selbst­tätig. Der für die Elektronik absolut tödliche Rauch dringt jedoch bis zum vollstän­digen Verschluss durch. Da Rauch zumeist relativ kalt ist, erfüllen diese Steine in keinster Weise die Erfor­der­nisse der Server­räume. Sie schließen sich deshalb nur im Testlabor! Dennoch trifft man diese Schein­si­cherheit oft an.
  6. Auch die Schot­tungen sind ein Problem.
    Es gibt kaum Schot­tungen, die Zulas­sungen in GK-Wänden haben. Ein beson­deres Problem sind auch bei GKW die Weich­schotts. Hier addieren sich Labili­täten!
  7. Wasser­schutz, das unbekannte Problem.
    Wasser wird als Gott gegeben hinge­nommen. “Nein – wie das nur passieren konnte, daran denkt nun wirklich keiner!” wird nach einem Wasser­schaden oft lamen­tiert. Bei GKW bekommt man erst recht ein Problem. Gips wird durch Wasser weich. Selbst wenn man Feucht­raum­platten wählt, kann man das Problem nicht ausschließen. Und dicht bekommt man eine solche Wand schon gar nicht, weil kein sicherer Boden­an­schluss möglich ist. Abkleben und Schwel­len­bildung helfen hier nur begrenzt und sind zudem nicht immer mit dem Brand­schutz und anderen techni­schen Anfor­de­rungen in Einklang zu bringen.
  8. Server­parks, in denen für Hundert­tau­sende, wenn nicht gar Millionen Euro Rechner stehen, und von denen zudem unter­neh­me­rische Existenzen (eigene und die der Kunden) abhängen, sollte man tunlichst einbruch­hemmend gestalten. Versuchen Sie aber mal (was nicht zulässig ist) eine Tür der Klasse RC4 in eine Gipskar­tonwand zu integrieren! Besser nicht: Es ist schade um das Geld, denn wer die Rechner kaputt machen möchte, macht den Durch­bruch neben der Tür, mit Axt oder schonender und noch schneller mit der Akku-Stichsäge. Hinterher würde man sarkas­tisch sagen: “Der Täter hat die angebo­tenen Siche­rungs­mittel leider nicht in Anspruch nehmen wollen…!”