Bewachungs­ver­träge müssen kontrol­liert werden

| Stephan Leukert

Problem:

Ein größeres Indus­trie­un­ter­nehmen hatte jüngst eine Revision des Werkschutzes durch­ge­führt. Dabei wurden die Bewachungs­ver­träge auf Vorgaben und Wirklichkeit unter­sucht. Gravierend fiel dabei das Ergebnis hinsichtlich der Quali­fi­kation des einge­setzten Wach- und Sicher­heits­per­sonals der Dienst­leister an den verschie­denen Stand­orten auf.

Im Rahmen-Bewachungs­vertrag stand, dass grund­sätzlich alle einge­setzten Sicher­heits­mit­ar­beiter in Erster Hilfe gem. DGUV-Vorschrift 1 ausge­bildet sein müssen. Um die Quali­fi­kation aufrecht­zu­er­halten, muss mindestens alle zwei Jahre eine Nachschulung von neun Stunden erfolgen. Man hatte einen großen Dienst­leister gewählt, der alle 17 Standorte betreute, vier davon zusammen mit regio­nalen Subun­ter­nehmern. Lediglich diese vier Standorte erfüllten die vertrag­liche Bedingung.

An den eigentlich vorge­schrie­benen Wieder­ho­lungs­kursen hatten nur verein­zelte Mitar­beiter – und dies auf Eigen­in­itiative oder im Zusam­menhang mit anderen Aktivi­täten (z. B. Übungs­leiter im Sport­verein) – teilge­nommen. Der Dienst­leister führte solche Lehrgänge zur Quali­fi­zierung seiner Mitar­beiter auch gar nicht durch und ließ sie auch nicht von einer Organi­sation wie Rotes Kreuz oder Johan­niter durch­führen.

Wie sich heraus­stellte, hatte der Dienst­leister bei der Auswahl seiner Mitar­beiter für den Einsatz bei dem Kunden nur bei Auftrags­er­teilung vor mehreren Jahren die Erste-Hilfe-Ausbildung abgefragt und dem Kunden mitge­teilt, die Bedin­gungen seien erfüllt oder würden in den nächsten Wochen erfüllt. Anfangs wurden auch einige Mitar­beiter mit entspre­chenden Nachweisen einge­setzt.

Aber: Am meisten verdient der Dienst­leister an der nicht erbrachten Leistung. So sparte er bei ca. 280 für das Unter­nehmen einge­setzten Stamm­mit­ar­beitern und einem Lohn um die neun Euro für jährlich im Durch­schnitt ca. 4,5 Stunden Ersthelfer-Nachschulung allein ca. 20.000 Euro an Lohn- und Lohnne­ben­kosten. Hinzu kommen eventuell noch Kosten für Schulungs­räume, Trainer etc. Diese Kosten hatte er natürlich vorab in seine Verrech­nungs­sätze einkal­ku­liert.

Maßnahmen:

  1. Ein Grundsatz bei der Vergabe von Aufträgen ist, dass die Umsetzung kontrol­liert werden muss. Einen Vertrag abzuschließen und den Dienst­leister dann „alleine“ zu lassen, ist mehr als fahrlässig. Man darf sich als Auftrag­geber dann nach ein paar Jahren nicht verwundert die Augen reiben, wenn die Dienst­leistung ein gewisses Eigen­leben entwi­ckelt hat.
  2. Es gibt zu viele Unter­nehmen, die keine Service Level Agree­ments (SLA) nutzen. Meist, weil sie keine passenden Prüfkri­terien für die Kontrolle des Dienst­leisters erstellt haben oder es nicht für nötig erachten und darauf bauen, der Dienst­leister werde schon leisten, was man vereinbart habe.
  3. Ein SLA sollte weniger monetäre, sondern vielmehr lösungs­ori­en­tierte Pönalen bei Verstößen vorsehen.
  4. Dienst­leis­tungs­ver­träge kann (und sollte) man in Check­listen aufbrechen und regel­mäßig auch in der Tiefe die Leistung abprüfen.
  5. Die Prüfpunkte der Check­listen sind mit Prüfzeit­räumen und ggf. konkreten Daten zur Prüfung zu versehen.
  6. Im vorlie­genden Fall war in Verges­senheit geraten, dass alle Mitar­beiter des Dienst­leisters vor dem Einsatz im Objekt mit detail­lierten Nachweisen für Ausbildung, Berufs­er­fahrung und mit Lebenslauf etc. anzumelden waren und der Einsatz der Zustimmung des Auftrag­gebers bedurfte.

    Inhalt der Anfor­derung war:
    • Nachweis der Ersthel­fer­aus­bildung und ihrer jährlichen Wieder­ho­lungs­schu­lungen
    • Alter der einzu­set­zenden Mitar­beiter in Nacht- und Wochen­end­schicht unter 55 Jahre
    • Nachweis eines gültigen Führer­scheins für PKW.
  1. Es hatte sich einge­schliffen, einfach neue Mitar­beiter zu schicken. Nach Erfahrung des Sicher­heits-Berater ist dies kein Einzelfall. Prüfen Sie einmal in Ihrem Unter­nehmen, ob von allen einge­setzten Dienst­leis­tungs­kräften die vertraglich verein­barten Quali­fi­ka­ti­ons­nach­weise vorliegen.
  2. Prüfen Sie, ob ggf. verein­barte Fortbil­dungen statt­ge­funden haben und in welcher Qualität. Lassen Sie sich die Schulungs­un­ter­lagen geben. Idealer­weise verein­baren Sie im Vertrag, dass Sie oder ein beauf­tragter Dritter an Schulungen teilnehmen können.
  3. Prüfen Sie, ob die vertrag­lichen Leistungen auch in der Dienst­an­weisung des Dienst­leisters ihren Nieder­schlag gefunden haben. Oft sind die Dienst­an­wei­sungen ein Standard, der sich seit Jahren nicht geändert hat und immer wieder nur mit einem neuen Namen des Kunden versehen, inhaltlich aber nicht aktua­li­siert wird. So findet der Sicher­heits-Berater heute noch einen Text, der vor fast 30 Jahren von einem Unter­nehmen entworfen worden war und seither immer wieder abgeschrieben wurde. Ihr Unter­nehmen und seine Erfor­der­nisse müssen sich in der Dienst­an­weisung wieder­finden! Die Anfor­de­rungen an eine Dienst­an­weisung hat der Sicher­heits-Berater in Heft 9/2013, S. 130ff., beschrieben.
  4. Nehmen Sie auch die Vorgaben der Dienst­an­weisung in Ihre abzuprü­fende Check­liste auf.
  5. Sprechen Sie den Dienst­leister immer sofort an, wenn Sie Leistungs­dis­kre­panzen feststellen und dokumen­tieren Sie dies. Prüfen Sie zudem, ob Sie Rückfor­de­rungen bzw. Minde­rungen geltend machen können, wenn so massiv gegen den Vertrag verstoßen wird.
  6. Unter dem Schlagwort Service Delivery Management bieten die Redak­teure des Sicher­heits-Berater genau diese Prüfleis­tungen zum Abgleich der einge­kauften, zugesagten Leistung und Anfor­de­rungen mit der Realität an. Schon die Ankün­digung regel­mä­ßiger Audits zur Leistungs­er­füllung wirkt Wunder.

Der Beitrag wurde im Sicher­heits-Berater, 22/2016 veröf­fent­licht.