Sicherheitskonzepte Museen

Sicherheits­konzepte für Museen

| Caroline Glaser

Caroline Glaser aus dem VZM-Marketing hat ihre Kollegin und Sicher­heits­expertin Mona Kamali Novin zu ihrer Arbeit im Bereich der Museums­si­cherheit befragt. Neben den rund 3.000 Volks­kunde- und Heimat­museen werden in Deutschland gut 3.600 kultur­ge­schicht­liche Spezi­al­museen und Kunst­museen betrieben, die Kunst­werke und Kultur­güter von zum Teil unschätz­baren Werten beher­bergen. Immer wieder kommt es zu erfolg­reichen Raubüber­fällen. Beispiele sind der Juwelenraub aus dem „Histo­ri­schen Grünen Gewölbe“ in Dresden 2019 und der Raub der wertvollen 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode Museum im Jahr 2017.

Hatten diese Museen ein fehler­haftes Sicher­heits­konzept?

Wenn Angriffe erfolg­reich sind liegt es nicht unbedingt daran, dass das Sicher­heits­konzept Lücken aufweist oder fehlerhaft ist. Vielmehr ist es die fehlende Sorgfalt in der Umsetzung im laufenden Betrieb, die Risiken birgt. Im Bode Museum zum Beispiel gab es Probleme mit einer Fenster­si­cherung. Ein Insider gab diese Infor­mation an Krimi­nelle weiter und es kam zur bekannten Katastrophe.

Sicherheits­konzepte sind nicht statisch, sie müssen immer wieder neu auf den Prüfstand und bei Bedarf angepasst werden. Ein Defekt in der Technik kann immer auftreten, aber er muss sofort behoben und mit anderen Maßnahmen abgesi­chert werden. Der Betrieb von Museen erfordert auch den Einsatz vieler perso­neller Dienst­leistung zum Beispiel für die Bewachung, Kasse, Infor­mation. Das Sicher­heits­konzept muss das alles berück­sich­tigen und die Risiken bewerten und so weit wie möglich minimieren.

Welcher Art sind Ihre Museums­pro­jekte bei VZM? Können Sie Beispiele nennen?

VZM ist schon seit den 90er Jahren im Bereich der Museums­si­cherheit aktiv und hat viel Erfahrung darin. Manchmal sind wir an Neubau­pro­jekten beteiligt, manchmal bezieht sich unser Auftrag auf Umbau- oder Sanie­rungs­vor­haben.

Derzeit betreuen wir beide Projekt­va­ri­anten. In beiden Fällen sind dies umfang­reiche Aufträge, die wir über viele Jahre begleiten. Die Planung, bis eine Baumaß­nahme überhaupt beginnen kann, dauert oft schon einige Jahre. Vielleicht dürfen wir nach der Fertig­stellung des einen oder anderen Projektes auch einmal darüber berichten, aber ohne eine Abstimmung mit unseren Auftrag­gebern gilt für uns das Prinzip der Vertrau­lichkeit.

Ist Museums­schutz nicht einfach Objekt­schutz?

Museen gehören per se zu den sogenannten Sonder­bauten, die besondere bauliche Anfor­de­rungen erfüllen müssen. Für Museen gelten natürlich andere Parameter als z.B. für Kranken­häuser, Produk­ti­ons­stätten oder Einrich­tungen aus dem Bereich KRITIS.

Museen sind oft auch Gebäude, die unter Denkmal­schutz stehen und somit weiteren Auflagen unter­liegen. Die Fassade darf meistens nicht verändert werden, oder Zäune sind nicht zugelassen für den Perime­ter­schutz. Da gilt es dann Alter­na­tiven zu finden, um zum Beispiel die benötigten Wider­stands­klassen für Fassaden zu reali­sieren. Erfahrung und kreative Lösungs­an­sätze sind hier nötig, um insbe­sondere die Sicher­heits­technik integrieren zu können.

Museen müssen auch unter dem Gesichts­punkt der Citysi­cherheit betrachtet werden. Auch der Anfahrt­schutz auf Plätze und Gebäude ist zu gewähr­leisten. Die Gefah­ren­sze­narien sind Terror­an­griffe, aber auch Unfälle aus dem angren­zenden Straßen­verkehr. Es braucht Maßnahmen von der Verkehrs­führung über diverse bauliche Barrieren, wie zum Beispiel höher gesetzte Bordsteine, Bepflan­zungen oder Stadt­mö­blierung wie Bänke oder Sitzstufen.

Was sind die Heraus­for­de­rungen bei der Sicherung von Museen?

Das sind viele Aspekte. Museen verlangen nach einem hohen Sicher­heits­niveau, das rund um die Uhr funktio­niert. Die Sicher­heits­maß­nahmen müssen die Gegen­stände gegen Diebstahl und Vanda­lismus schützen, aber auch gegen Schadens­er­eig­nisse wie Brand und Wasser­schäden. Gleich­zeitig müssen die Sicher­heits­maß­nahmen die Zugäng­lichkeit des Gebäudes für die Öffent­lichkeit ermög­lichen. Die Sicher­heits­maß­nahmen zu den Öffnungs­zeiten sind daher andere wie zu den Zeiten, an denen kein Zugang möglich ist.

Außerdem sind neben dem normalen Sicher­heits­konzept für den laufenden Betrieb oft zusätz­liche temporäre Siche­rungs­maß­nahmen bzw. Ergän­zungen des Sicher­heits­kon­zepts erfor­derlich. Sie schützen die Exponate in Verbindung mit Wechsel­aus­stel­lungen, Sanie­rungen oder dem Bezug von Neubauten. Die Maßnahmen umfassen Anfor­de­rungen für den Transport, die Zwischen­la­gerung aber auch für die Einräum­phase in die neuen Räumlich­keiten. Bei oder während solcher tempo­rären Situa­tionen benötigen zahlreiche museums­fremde Personen Zugang zu den Räumlich­keiten und den Kunst­ob­jekten.

Haben Sie Beispiele zu solchen zusätz­lichen Siche­rungs­maß­nahmen?

Ja, in einem laufenden Museums­projekt werden Teile des Gebäu­de­kom­plexes renoviert und umgebaut. Das ist eine wirklich große Heraus­for­derung für den Museums­be­trieb, die ohne externe Unter­stützung nicht reali­siert werden kann. Für die Bauzeit haben wir die tempo­rären Siche­rungs­maß­nahmen für die Baustelle und die Schnitt­stellen zwischen Baustelle und Regel­be­trieb des Museums in enger Abstimmung mit den Museums­ver­ant­wort­lichen geplant.

Hier steht uns ein Blumen­strauß an perso­nellen, organi­sa­to­ri­schen aber auch tempo­rären anlagen­tech­ni­schen Maßnahmen zur Verfügung. Das Bauper­sonal erhält Zutritt zum Beispiel nur mit Tages­pässen, die genau regeln, wer wohin darf. In Aufzügen, die norma­ler­weise nicht frei zugänglich sind, fährt immer ein Sicher­heits­mit­ar­beiter mit und überwacht, wer auf welche Etage gelangt. Außerdem sind technische Maßnahmen zum Schutz der Baustelle und des Museums außerhalb der Betriebs­zeiten im Einsatz. Da geht es unter anderem darum, zu verhindern, dass ein Baugerüst Einbre­chern in der Nacht als Kletter- und Einbruchs­hilfe dient.

Wie werden Sicherheits­konzepte für Museen erstellt?

Die Basis bildet immer die Sichtung und Analyse aller Vorschriften und verfüg­baren Infor­ma­tionen sowie die Risiko­analyse. Dann legen wir die Schutz­ziele fest, für die wir alle Anfor­de­rungen an die baulichen, mecha­ni­schen, elektro­ni­schen, organi­sa­to­ri­schen und perso­nellen Sicher­heits­maß­nahmen definieren. Nach der Abstimmung mit dem Bauherrn oder Nutzer ist das die Planungs­grundlage für alle Planungs­be­tei­ligten.

Das Sicher­heits­konzept definiert Schutz­zonen von 0 bis 5. Die wertvollsten Ausstel­lungs­stücke und das Depot liegen in Zone 5. Unser Ziel ist es, viele wider­stands­fähige physische Barrieren aufzu­bauen, um den Zugriff auf die Schutz­ziele maximal zu verzögern. Für jede Zone existieren auch unter­schied­liche Nutzer­gruppen. Das erfordert eine umfang­reiche Zutritts­or­ga­ni­sation und unter­schied­lichste Schließ­systeme.

Ein weiterer wichtiger Faktor bei Museen ist das Sicher­heits­per­sonal. Ein ausge­wo­genes Sicher­heits­konzept findet eine gute Balance zwischen dem Einsatz von Sicher­heits­per­sonal und Sicher­heits­technik.

Wer sind Ihre Mitspieler bei der Sicherheits­konzeption?

Das Thema erfordert die Zusam­men­arbeit ganz vieler Stellen. Es gibt eine/n Sicherheitschef/in des Museums, Archi­tekten, Bauun­ter­nehmer, Brand­schutz­planer, Logis­tiker, Verkehrs­planer, Vertreter der Stadt oder Gemeinde, die Versi­cherung und uns Sicher­heits­be­rater und ‑planer.

Leider werden wir oft recht spät ins Boot geholt und stellen fest, dass die Planungen schon weit fortge­schritten sind und viele Sicher­heits­aspekte übersehen wurden. Wir müssen die Sicher­heits­maß­nahmen dann an die geschaf­fenen Fakten vor Ort anpassen. Das bedeutet in vielen Fällen einen techni­schen Mehraufwand mit den entspre­chend höheren Kosten. Und wenn es gar nicht anders möglich ist, müssen Umpla­nungen vorge­nommen und sogar bauliche Maßnahmen wieder geändert werden. Ideal wäre, wenn wir schon ganz am Anfang invol­viert wären.

Warum wird die Sicher­heits­planung nicht früher einbe­zogen?

Ich denke, dass es den Verant­wort­lichen nicht bewusst ist, in welche Bereiche und in welcher Tiefe unserer Maßnahmen in die Planungen hinein­spielen. Da wird zu sehr in Einzel­ge­werken gedacht. So nach dem Motto, erst fertig bauen, dann einfach ein paar Video­ka­meras am Haus anbringen.

Eine ganzheit­liche Sicherheits­konzeption erfordert viele Fachbe­reiche, wie zum Beispiel Archi­tektur, Brand­schutz, Bauwesen, Gebäu­de­au­to­mation, Klima­technik, Video­technik, Zutritts­kon­trolle, Organi­sation, IT-Sicherheit und Türen-Engineering. Gemeinsam mit den Fachkol­legen und der Erfahrung aus vielen hunderten Projekten können wir das leisten.

Wie funktio­niert die Zusam­men­arbeit mit den Archi­tekten?

Museen sind zumeist Presti­ge­ob­jekte, die große Aufmerk­samkeit erzielen sollen. Bei den Ausschrei­bungen und Wettbe­werben spielen die Sicher­heits­an­for­de­rungen erstmal keine wirkliche Rolle. Moderne Archi­tektur, gerade im Museums­be­reich möchte besondere Räume schaffen und den Menschen Erleb­nisse im Innen- und Außen­be­reich anbieten. Je offener das Konzept ist und je mehr Flächen den Besuchern zugänglich sind, umso anspruchs­voller ist die Sicher­heits­planung.

Wir müssen dann Lösungen erarbeiten, wie die Archi­tek­tur­ent­würfe so umgesetzt werden können, dass die gefor­derte Sicherheit trotzdem erreicht wird. Archi­tekten reagieren verständ­licher Weise sensibel, wenn man an ihren Plänen etwas ändern möchte, aber mit meinem Background der Archi­tektur und der Erfahrung meiner Teamkol­legen funktio­niert die Zusam­men­arbeit in der Regel sehr gut und wir erzielen Ergeb­nisse, die für alle Seiten zufrie­den­stellend sind.

Nicht selten haben wir auch die umgekehrte Situation, dass Pläne in der Bauphase recht spontan geändert werden. Wenn zum Beispiel eine Treppe auf eine andere Seite verlegt wird, kann dies bedeuten, dass nun Räume mitein­ander verbunden sind, die vorher getrennt waren. Ganze Schutz­zonen inklusive Schutz­maß­nahmen müssen dann neu definiert werden.

Ist es für die Planung der Maßnahmen wichtig, welche Kunst­werke geschützt werden?

Ja, das ist absolut wichtig. Und zwar nicht nur mit Blick auf Diebstähle. In Abhän­gigkeit der Exponate bestehen spezi­fische Anfor­de­rungen an die Raumkon­di­tionen, insbe­sondere Raumtem­pe­ratur und Luftfeuchte. In Ausstel­lungs­räumen und Lager­räumen muss Sommer wie Winter das richtige Raumklima gesichert sein. Die entspre­chenden Anlagen sollten somit unbedingt im Sicher­heits­konzept mit betrachtet werden, unter anderem unter dem Gesichts­punkt der Verfüg­barkeit. Zur Sicher­stellung der Verfüg­barkeit gehört einer­seits, dass die raumluft­tech­ni­schen Anlagen redundant aufgebaut sind und anderer­seits, dass sie vor Sabotage geschützt sind.

Die Art der Kunst­werke spielt selbst­ver­ständlich auch eine Rolle beim Schutz gegen Brand- und Wasser­schäden. Manchmal gibt es Wider­sprüche zwischen notwen­digen Maßnahmen für die physische Sicherheit und brand­schutz­tech­ni­schen Maßnahmen. Da braucht es viel Austausch zwischen den verant­wort­lichen Fachleuten, um eine gemeinsame Lösung zu finden, die sowohl die Sicherheit der Personen als auch die Sicherheit der Exponate und des Museums­ge­bäudes gewähr­leisten kann.

Haben die Versi­cherer einen Einfluss auf die Sicher­heits­maß­nahmen?

Der Versi­che­rungs­schutz der Exponate ist ein sehr wichtiger Aspekt bei der Museums­si­cherung. Die Versi­che­rungen haben eigene Kriterien, mit denen sie die Sicherheit des Objektes beurteilen und die erfüllt sein müssen. Unter bestimmten Umständen haftet die Versi­cherung nicht mehr für den Schutz der Exponate. Wenn also Sanie­rungen oder Umbau­maß­nahmen anstehen, muss die Versi­cherung infor­miert und bei offenen Fragen direkt einbe­zogen werden. Nur so ist eine Haftung im Schadensfall sicher­ge­stellt.

Vielen Dank Frau Kamali Novin für das Gespräch!