Problem:
Ein größeres Industrieunternehmen hatte jüngst eine Revision des Werkschutzes durchgeführt. Dabei wurden die Bewachungsverträge auf Vorgaben und Wirklichkeit untersucht. Gravierend fiel dabei das Ergebnis hinsichtlich der Qualifikation des eingesetzten Wach- und Sicherheitspersonals der Dienstleister an den verschiedenen Standorten auf.
Im Rahmen-Bewachungsvertrag stand, dass grundsätzlich alle eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter in Erster Hilfe gem. DGUV-Vorschrift 1 ausgebildet sein müssen. Um die Qualifikation aufrechtzuerhalten, muss mindestens alle zwei Jahre eine Nachschulung von neun Stunden erfolgen. Man hatte einen großen Dienstleister gewählt, der alle 17 Standorte betreute, vier davon zusammen mit regionalen Subunternehmern. Lediglich diese vier Standorte erfüllten die vertragliche Bedingung.
An den eigentlich vorgeschriebenen Wiederholungskursen hatten nur vereinzelte Mitarbeiter – und dies auf Eigeninitiative oder im Zusammenhang mit anderen Aktivitäten (z. B. Übungsleiter im Sportverein) – teilgenommen. Der Dienstleister führte solche Lehrgänge zur Qualifizierung seiner Mitarbeiter auch gar nicht durch und ließ sie auch nicht von einer Organisation wie Rotes Kreuz oder Johanniter durchführen.
Wie sich herausstellte, hatte der Dienstleister bei der Auswahl seiner Mitarbeiter für den Einsatz bei dem Kunden nur bei Auftragserteilung vor mehreren Jahren die Erste-Hilfe-Ausbildung abgefragt und dem Kunden mitgeteilt, die Bedingungen seien erfüllt oder würden in den nächsten Wochen erfüllt. Anfangs wurden auch einige Mitarbeiter mit entsprechenden Nachweisen eingesetzt.
Aber: Am meisten verdient der Dienstleister an der nicht erbrachten Leistung. So sparte er bei ca. 280 für das Unternehmen eingesetzten Stammmitarbeitern und einem Lohn um die neun Euro für jährlich im Durchschnitt ca. 4,5 Stunden Ersthelfer-Nachschulung allein ca. 20.000 Euro an Lohn- und Lohnnebenkosten. Hinzu kommen eventuell noch Kosten für Schulungsräume, Trainer etc. Diese Kosten hatte er natürlich vorab in seine Verrechnungssätze einkalkuliert.
Maßnahmen:
- Ein Grundsatz bei der Vergabe von Aufträgen ist, dass die Umsetzung kontrolliert werden muss. Einen Vertrag abzuschließen und den Dienstleister dann „alleine“ zu lassen, ist mehr als fahrlässig. Man darf sich als Auftraggeber dann nach ein paar Jahren nicht verwundert die Augen reiben, wenn die Dienstleistung ein gewisses Eigenleben entwickelt hat.
- Es gibt zu viele Unternehmen, die keine Service Level Agreements (SLA) nutzen. Meist, weil sie keine passenden Prüfkriterien für die Kontrolle des Dienstleisters erstellt haben oder es nicht für nötig erachten und darauf bauen, der Dienstleister werde schon leisten, was man vereinbart habe.
- Ein SLA sollte weniger monetäre, sondern vielmehr lösungsorientierte Pönalen bei Verstößen vorsehen.
- Dienstleistungsverträge kann (und sollte) man in Checklisten aufbrechen und regelmäßig auch in der Tiefe die Leistung abprüfen.
- Die Prüfpunkte der Checklisten sind mit Prüfzeiträumen und ggf. konkreten Daten zur Prüfung zu versehen.
- Im vorliegenden Fall war in Vergessenheit geraten, dass alle Mitarbeiter des Dienstleisters vor dem Einsatz im Objekt mit detaillierten Nachweisen für Ausbildung, Berufserfahrung und mit Lebenslauf etc. anzumelden waren und der Einsatz der Zustimmung des Auftraggebers bedurfte.
Inhalt der Anforderung war:- Nachweis der Ersthelferausbildung und ihrer jährlichen Wiederholungsschulungen
- Alter der einzusetzenden Mitarbeiter in Nacht- und Wochenendschicht unter 55 Jahre
- Nachweis eines gültigen Führerscheins für PKW.
- Es hatte sich eingeschliffen, einfach neue Mitarbeiter zu schicken. Nach Erfahrung des Sicherheits-Berater ist dies kein Einzelfall. Prüfen Sie einmal in Ihrem Unternehmen, ob von allen eingesetzten Dienstleistungskräften die vertraglich vereinbarten Qualifikationsnachweise vorliegen.
- Prüfen Sie, ob ggf. vereinbarte Fortbildungen stattgefunden haben und in welcher Qualität. Lassen Sie sich die Schulungsunterlagen geben. Idealerweise vereinbaren Sie im Vertrag, dass Sie oder ein beauftragter Dritter an Schulungen teilnehmen können.
- Prüfen Sie, ob die vertraglichen Leistungen auch in der Dienstanweisung des Dienstleisters ihren Niederschlag gefunden haben. Oft sind die Dienstanweisungen ein Standard, der sich seit Jahren nicht geändert hat und immer wieder nur mit einem neuen Namen des Kunden versehen, inhaltlich aber nicht aktualisiert wird. So findet der Sicherheits-Berater heute noch einen Text, der vor fast 30 Jahren von einem Unternehmen entworfen worden war und seither immer wieder abgeschrieben wurde. Ihr Unternehmen und seine Erfordernisse müssen sich in der Dienstanweisung wiederfinden! Die Anforderungen an eine Dienstanweisung hat der Sicherheits-Berater in Heft 9/2013, S. 130ff., beschrieben.
- Nehmen Sie auch die Vorgaben der Dienstanweisung in Ihre abzuprüfende Checkliste auf.
- Sprechen Sie den Dienstleister immer sofort an, wenn Sie Leistungsdiskrepanzen feststellen und dokumentieren Sie dies. Prüfen Sie zudem, ob Sie Rückforderungen bzw. Minderungen geltend machen können, wenn so massiv gegen den Vertrag verstoßen wird.
- Unter dem Schlagwort Service Delivery Management bieten die Redakteure des Sicherheits-Berater genau diese Prüfleistungen zum Abgleich der eingekauften, zugesagten Leistung und Anforderungen mit der Realität an. Schon die Ankündigung regelmäßiger Audits zur Leistungserfüllung wirkt Wunder.
Der Beitrag wurde im Sicherheits-Berater, 22/2016 veröffentlicht.