Im diesem Interview mit der Fachzeitschrift Sicherheits-Berater erläutert Rochus Zalud, warum Türenplanung für Bauprojekte so wichtig ist. Zalud ist Sicherheitsberater bei VZM.
Herr Zalud, Sie sind bei VZM seit über 30 Jahren als Sicherheitsberater und Spezialist für Türen-Engineering, Schleusen- und Schließanlagenplanung tätig. Ich lese in den Fachmedien, dass das Thema Türen oft unterschätzt wird. Können Sie das bestätigen?
Ja, leider. Türen sind die Öffnungen, die Menschen, sei es im gewerblichen Bereich oder im privaten Bereich, fast täglich nutzen. Dass diese Nutzung aber auch einer detaillierten Planung und vor allem einer qualitativen Ausführung bedarf, wird nur zu schnell vergessen. Das Türenthema unterschätzt man immer wieder – nicht selten mit erheblichen Folgen. Unzureichende falsche Türenplanung kann große Bauprojekte – nehmen Sie das Beispiel BER – erheblich verzögern oder zum Scheitern bringen und enorme Kosten verursachen.
Für mich als Laie klingt es sehr abenteuerlich, dass Türen so wichtig sein sollen. Würden Sie mir das genauer erklären?
Türen sind multifunktionale Bauteile, die zunächst einmal die Designvorstellungen von Bauherr und Nutzer befriedigen müssen. Dazu kommen, je nach Nutzungskonzept und Gebäudelayout, Anforderungen des Schallschutzes, des Brandschutzes und, bei Außentüren, oft Themen des Wärmeschutzes. Über das Sicherheitskonzept werden parallel Anforderungen an die Härtung der Türen, sei es Explosions‑, Durchschuss- bzw. Einbruchhemmung, gestellt. Alleine diese unterschiedlichen Anforderungen an die Konstruktion von Türblatt und Zarge als kompakte Einheit unter einen Hut zu bringen kann schwierig werden. Oftmals stellen sich diese Anforderungen nämlich als Gegensätze dar. Deshalb sollte man frühzeitig und vorausschauend überlegen, die Flächenplanung so umzusetzen, dass “Funktionen” entkoppelt und quasi in verschiedenen Schutzebenen angeordnet werden. In der DIN EN 50518 findet man dies bereits: Hier gibt es die Empfehlung für einen Zugang über eine Brandschutz- und nachgelagerte Sicherheitstür.
Auch der Aspekt “Ausstattung der Tür” fehlt gedanklich bei vielen noch komplett. Hier gibt es eine Komplexität von Komponenten, die zwar theoretisch einbaubar sind, praktisch aber nicht eingebaut werden dürfen. Hier geben dann bereits viele Architekten in der Planung auf und versuchen über eine produktbezogene Beratung eine tragbare Lösung zu erhalten.
Türen-Engineering ist eine komplexe Aufgabe, die ganz früh in die Gebäudeplanung einzubinden ist. Sie erfolgt gewerkeübergreifend und ist bis zur Ausführung detailliert zu verfolgen. Bei vielen Projekten wird die Tür von Anfang an jedoch nur als Öffnung in der Wand gesehen. Erst wenn alles fertiggestellt wurde, wenn Türen gekauft und eingesetzt wurden, wendet man sich wieder den Türfunktionen zu, die man eigentlich benötigt. Und dann stellt man fest, dass es viele Vorrüstungen gebraucht hätte, um die erwünschten und auch vorgeschriebenen Türenfunktionen zu installieren. Und nachträgliche Änderungen sind oft schwer zu realisieren und sehr kostenintensiv.
Worin liegt denn die Ursache solcher Planungslücken?
An dem fehlenden Verständnis für diese Komplexität der Türenplanung. Gerade bei Großprojekten ist es deshalb mittlerweile Standard, einen spezialisierten Fassadenplaner einzubeziehen, welcher alle Anforderungen einsammelt, diese filtert und dann versucht, eine konstruktiv machbare Lösung zu entwickeln. Unsere Schweizer Kollegen haben mit diesem Ansatz der Türenplanung bereits gute Erfahrungen gemacht. Und in Deutschland: Da sitzen nicht selten Absolventen der Hochschule an den komplexen Türlisten. Gute Türenplanung setzt auch ein Stück Erfahrung voraus. Was ist sinnvoll? Wo gibt es konstruktive und technische Grenzen? Wie gestalte ich Schnittstellen zu den anderen beteiligten Gewerken?
Da stellt sich mir gleich die Kostenfrage.
Eine berechtigte Frage – aber wir müssen uns damit abfinden, dass Qualität ihren Preis hat. Ich war überrascht, dass mich auf der Fachmesse Bau 2019 ein Vertriebsarchitekt eines der größeren Türhersteller immer auf seine preiswerten Produkte verwies, obwohl mein Interesse den hochwertigen Türen galt. Auf Rückfrage gab es dann die Antwort: “Die meisten unserer Kunden wollen möglichst billig einkaufen!” Kunden sind im Übrigen für den Hersteller nicht die Bauherren, sondern der jeweilige Errichter als Einkäufer der Tür. Der Endnutzer hat somit, wenn er nicht vorher seine Anforderungen präzise formuliert hat, wenig Einfluss auf die Ausführung und Ausführungsqualität.
Die wenigsten Auftraggeber unterhalten sich über Funktionen. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Türen erfüllen wichtige Aufgaben im Brand- und Rauchschutz, bei der Zutrittskontrolle, der Einbruch‑, Durchbruch- und Beschusshemmung – sie bieten Barrierefreiheit und Fluchtwegsicherung. Und oft müssen die Türen viele dieser Funktionen gleichzeitig erfüllen. Für eine erfolgreiche Türenplanung sollten mindestens das Nutzungskonzept mit den Sicherungsbereichen und Zonenübergängen, die Verkehrswege- und die Brandschutzkonzeption vorliegen. Nur dann kann eine ganzheitliche Planung der Türausrüstung und der systemübergreifenden Gesamtfunktion erarbeitet werden.
Gibt es einen besonderen Rat, den Sie Ihren Auftraggebern und Ansprechpartnern geben können?
Nicht einen, sondern mehrere: Zunächst müssen die Grundlagen für eine Türenplanung klar sein. Neben dem Nutzungs- und Brandschutzkonzept bedarf es eines Sicherheitskonzeptes. Darin sind in der Regel alle Funktionen wie Brand- und Rauchschutz, Zutrittskontrolle, Einbruch‑, Durchbruch- und Beschusshemmung, Barrierefreiheit und Fluchtwegsicherung usw. beschrieben. Bei komplexen Gebäuden hilft auch eine Klarstellung der Verkehrswege für Personen, Lasten und Fahrzeuge.
Des Weiteren muss sich der Auftraggeber darüber Gedanken machen, wie flexibel und zukunftsorientiert er sein möchte. Gerade bei baurechtlich bindenden Vorschriften wie dem Brandschutz kann eine Nutzungsänderung den Austausch von Türanlagen erzwingen. Oder man hat diese Möglichkeit schon in der Planung berücksichtigt und es ist nur ein “zulässiger” Umbau notwendig. Die Vorrüstungen sind zusätzliche Investitionen, aber rechnen sich spätestens bei dem ersten Umbau.
Ein Auftraggeber sollte davon Abstand nehmen, den Türeneinbau von der Lieferung der Beschläge über den Einbau der Schlösser bis hin zur Montage der sicherheitstechnischen Komponenten separat umzusetzen. Eine einzige Ausschreibung, die alle Qualitätskriterien umfasst, reicht in der Regel aus. Statt einzelner Errichter in Verantwortung muss es einen einzigen Gesamtverantwortlichen geben.
Und ein letzter Rat: Versuchen sie nicht, Einbaukomponenten wie Schlösser, Kontakte, Türschließer, Türöffner usw. von einem Lieferanten zu beziehen, wenn sie unterschiedliche Türenarten und ‑materialien (Vollblatttüren, Rohrrahmentüren, Holz‑, Alu- oder Stahlblechtüren) einsetzen, welche im Bereich des Brandschutzes und der Sicherheit zulassungs- bzw. prüfzeugnisbedingt geprägt sind. Unter Wartungs- und Servicegedanken mag das ja als gute Idee erscheinen, welche aber praktisch nur mit höherem Aufwand wegen zu erwartender Nachprüfungen und mit höheren Kosten für Sonderlösungen verbunden ist.
Ich rate meinen Kunden, immer so flexibel wie möglich zu planen, damit spätere Änderungen des Nutzungskonzepts schnell und kostengünstig realisiert werden können. Zum Beispiel, wenn eine Brandschutztür später auch Funktionen für den Zutritt und den Einbruchschutz erhalten soll. Dafür muss eine Vorrüstung existieren, sonst wird daraus ein unnötig großes Projekt. Auch hier heißt es wieder: genau das Nutzungskonzept anschauen und analysieren, wo solche Vorrüstungen sinnvoll sind. Und um dies genau in die richtige Richtung zu lenken, dafür braucht es eben den erfahrenen Sicherheitskonzeptioner und Türenexperten.
Sie haben letztes Jahr das Zertifikat “Sachkundiger für die Prüfung und Wartung von Feuerschutztüren und Feststellanlagen nach MBO/BGI-DGUV/ASR/DIBt-RI und DIN 14677” beim Bundesverband Metall (BVM) erworben. Wozu braucht eine Koryphäe wie Sie, selbst Referent zum Thema Türen-Engineering, noch einen solchen Nachweis?
Zuerst muss ich Ihrem Begriff “Koryphäe” widersprechen. Ich möchte von mir behaupten, dass ich in diesem Gebiet Fachmann bin. Aber auch ich lerne ständig neu hinzu, weil der Bereich in seiner Vielfalt und Ausprägung so komplex ist. Es gibt in Deutschland viele solcher Fachleute, die mit ihrem Wissen und Erfahrungen gute Berater und Planer sind.
Den Lehrgang habe ich gemacht, um mich selbst zu überprüfen, ob Wissenslücken vorhanden sind. Andererseits war es eine tolle Erfahrung, von den anderen Teilnehmern – in der Mehrzahl Praktiker in der Errichtung, der Wartung und dem Service von Feuerschutztüren – zu hören, vor welchen Problemen sie stehen: Sie sollen nämlich den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen gerecht werden und werden zugleich von vielen ihrer Auftraggeber vor den Kopf gestoßen, wenn sie Ross und Reiter, also Mängel und Unzulänglichkeiten, benennen. Hier muss ein neues Bewusstsein bei den Betreibern von Immobilien geschaffen werden.
Darüber hinaus hielt ich eine Teilnahme an dem Lehrgang auch für sinnvoll wegen der DIN 14677, die am 1. März 2011 in Kraft getreten ist. Diese Norm regelt, dass Brand- und Rauchschutztüren nach Einbau, nach Veränderung und regelmäßig wiederkehrend geprüft werden. Bei Feststellanlagen ist ein Sachkundigen-Nachweis gefordert. Wenn ich heute eine Prüfung vornehme, kann unser Kunde damit den rechtlichen Forderungen nachkommen. Als Sachkundiger kann ich diesen Service bieten, auch wenn das für uns als Sicherheitsplaner von VZM nur eine nebengeordnete Aufgabe ist.
Wie funktioniert Türenplanung?
Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen. Die klassische Betreuung kann im Rahmen von Projektbearbeitungen, z. B. Sicherheitskonzeption, qualitätssichernde Betreuung usw., in Analogie zu den Leistungsphasen der HOAI, das ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, erfolgen. Das ist meist bei Neubauvorhaben der Fall. Es besteht aber auch die Möglichkeit, über die Entwicklungen von Türtypisierungen bezüglich der Anforderungen an Zutrittsorganisation und Einbruchschutz in eine vertiefende Türenplanung zu kommen. Diese versetzt über die Ausschreibung auch den Errichter der Türenanlage in die Lage, eine abgestimmte Werkplanung zu erstellen. Und auf dieser Grundlage kann man dann die Funktionsprüfungen und Qualitätskontrollen an den Türen vornehmen. Bei komplexen Türanlagen kann ein solches Abnahmeprotokoll durchaus mehrere A4-Seiten umfassen.
Halten Sie den Kompetenznachweis für die Prüfung und Wartung von Feuerschutztüren und Feststellanlagen für wichtig?
Ja, auf jeden Fall. Fehlfunktionen kosten Menschenleben. Immer wieder geraten Menschen in Gefahr, weil zum Beispiel die Schutzmechanismen von Türen nicht funktioniert haben. Daher ist es auch richtig, dass die Inhaber dieses Zertifikats sich alle zwei Jahre nachqualifizieren. Sie müssen verantwortungsvoll für sichere Fluchtwege sorgen und gewährleisten, dass die entscheidenden Feuerabschlüsse im Brandfall funktionieren.
Herr Zalud, herzlichen Dank für das Gespräch.
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