Der Autor hat in der Vergangenheit sowohl im Sicherheits-Berater (zuletzt in Ausgabe 22/2016, S. 355 ff.) als auch anderen Fachpublikationen mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, den (meist fremdvergebenen) Werkschutz regelmäßig auf die Einhaltung rechtlicher und vertraglicher Regelungen zu kontrollieren.
Allerdings muss ein solches Vertragscontrolling sauber vorbereitet und durchgeführt werden, damit es zu verwertbaren Ergebnissen führt. Wie notwendig eine solche Überprüfung ist und welche Folgen ein „Scheinaudit“ für den Auftraggeber haben kann, soll folgendes Beispiel aus der Praxis zeigen:
Ein Unternehmen beauftragte vor Jahren mehrere Dienstleister zur Wahrnehmung verschiedener Sicherheitsaufgaben am eigenen Standort. Mehrere deshalb, weil man aufgrund des eigenen Geschäftsfelds regelmäßig Veranstaltungen durchführt, für die man zeitlich befristet einen sehr hohen Personalbedarf hat. Die Last sollte daher auf mehrere Schultern verteilen werden. In weiser Voraussicht sah man bereits beim Vertragsschluss die Möglichkeit vor, Audits durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. Dies ist auch heutzutage immer noch eine absolute Ausnahme und sehr lobenswert.
Die Audits wurden jährlich von einem unabhängigen Auditor durchgeführt, jeweils mit weitgehend zufriedenstellenden Ergebnissen. Nachdem diese Person in den Ruhestand gegangen war, suchte der Auftraggeber einen Nachfolger und wandte sich hierfür an den Autor dieses Artikels. Der Auftrag sollte die Überprüfung folgender Themen umfassen:
Dienstausübung
Einhaltung der einschlägigen Tarifverträge
Durchführung der vorgegebenen Aus- und Weiterbildungen
Einhaltung rechtlicher Vorgaben, insbesondere der Gewerbeordnung (GewO), der Bewachungsverordnung (BewachV) sowie des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG)
Es folgten die üblichen Gespräche sowie die Abgabe eines Angebots, das auf der Seite des Auftraggebers erst einmal aufgrund des vorgesehenen Zeitansatzes zu Erstaunen führte. Der ehemalige Auditor hatte die vier Dienstleister scheinbar innerhalb von drei Tagen überprüft. Zwei davon waren für die Dienstausübung vorgesehen. Dies wiederum erschien dem Berater unverständlich. Für das operative Controlling sind zwei Tage ausreichend, aber wie sollte innerhalb eines weiteren Tages halbwegs belastbar überprüft werden, ob mehrere hundert Sicherheitsmitarbeiter den korrekten Lohn erhielten oder das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird (ohnehin ein großes Problemfeld für das Sicherheitsgewerbe)? Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Es geht scheinbar, aber man sollte sich dann über das Ergebnis des Audits auch nicht wundern.
Der Autor konnte den Auftraggeber von seinem Ansatz (zwei Tage für die Dienstausführung und ein Tag pro Dienstleister für den administrativen Teil) überzeugen und wurde beauftragt. Im Rahmen einer größeren Veranstaltung wurde zunächst die Dienstausübung betrachtet, auf welche hier nicht näher eingegangen wird. Bei der Beurteilung der Dienstleister wurden erstaunliche Beobachtungen gemacht, die, so traurig es ist, als schon eher üblich für das Sicherheitsgewerbe angesehen werden müssen. Darunter waren z. B.:
Einsatz von offensichtlich nicht geeigneten Mitarbeitern (z. B. wegen einer Gehbehinderung oder des Alters). Der älteste Mitarbeiter entsprang dem Jahrgang 1937! Auch wenn das Alter alleine nichts über die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters aussagt, sollte man doch die mögliche Außenwirkung beachten. Außerdem sind die Anforderungen an die Eignung der Mitarbeiter gemäß § 3 DGUV-Vorschriften 23 und 24 zu beachten.
Einweisungen, die nicht anhand einer Dienstanweisung, sondern des Wissens des Einweisenden durchgeführt wurden (Die einzuweisende Person wusste nicht, dass überhaupt eine Dienstanweisung existierte.)
Mitarbeiter in Privatkleidung
durch verschiedenste digitale und analoge Geräte abgelenkte Mitarbeiter (Der Autor konnte sich mehrmals bis auf Armlänge an Sicherheitspersonal annähern, ohne bemerkt zu werden.)
uninteressierte Dienstausübung (Das Rütteln einer unbekannten Person nachts an verschlossenen Türen sollte schon zu einer Reaktion eines Sicherheitsmitarbeiters, der dies beobachtet, führen.)
Vertrauensseligkeit (Der Autor durfte mehrfach in vertrauliche Unterlagen Einsicht nehmen, ohne dass zuvor die Legitimation überprüft wurde.)
Veraltete Dienstanweisungen (z. B. aus dem Jahr 2004), die teilweise aus Loseblattsammlungen bestanden und faktisch nicht lesbar waren
Dienstzeiten bis zu 17 Stunden
Letzteres ist per se nicht unzulässig, allerdings an Rahmenbedingungen gebunden, die in der Regel aber nicht vorlagen (Genaueres hierzu hat der Sicherheits-Berater in Ausgabe 16/2015, S. 232 ff., ausgeführt). Aufgrund des Personaleinsatzes war auch rasch klar, dass die Mitarbeiter keine Ruhepausen gem. § 4 ArbZG erhielten (siehe auch hier den Sicherheits-Berater 15/2015, S. 210 ff.). Beides ist leider im Sicherheitsgewerbe weit verbreitet.
Bei der Überprüfung der „Papierlage“ wurden bei drei der vier Dienstleister Abweichungen in akzeptablem Umfang gefunden, die vergleichsweise leicht zu beheben waren. Dafür kam es beim vierten Unternehmen aber dann knüppeldick:
Bei der überprüften Veranstaltung waren mehr als 70 Mitarbeiter im Einsatz.
Davon hatten mehr als Zweidrittel kein Unterrichtungsverfahren gem. § 34a GewO durchlaufen. Damit hatten sie keine Erlaubnis, überhaupt im Bewachungsgewerbe zu arbeiten.
Knapp Dreiviertel waren nicht der zuständigen Behörde zur Überprüfung der Zuverlässigkeit gemeldet worden (§ 9 (2) BewachV). Eine Überprüfung wäre im Übrigen gar nicht möglich gewesen, da die Mitarbeiter immer nur einen für die Dauer der Veranstaltung befristeten Arbeitsvertrag hatten. Bis zur nächsten Veranstaltung waren sie dann wieder arbeitslos.
Bei mehr als der Hälfte waren die vorgeschriebenen Schulungen und Weiterbildungen nie durchgeführt worden oder abgelaufen.
Bei der Berechnung der Nacht‑, Sonn- und Feiertagszuschläge wurde zum Nachteil der Mitarbeiter erheblich gegen die Tarifvereinbarungen verstoßen. Diese Fehler reichten mehrere Jahre in die Vergangenheit und waren so augenfällig, dass hier Vorsatz vermutet werden musste.
Eine mit dem Auftraggeber vertraglich vereinbarte Zahlung einer außertariflichen Zulage für bestimmte Positionen wurde nicht an die Mitarbeiter weitergegeben. Hier könnte ggf. sogar der Verdacht auf Betrug gegenüber dem Auftraggeber bestehen.
Der Auftraggeber fiel bei Vorlage des Auditberichts aus allen Wolken, denn bislang war das betreffende Unternehmen im operativen Tagesgeschäft nicht besonders negativ aufgefallen.
Die oben beschriebenen Gegebenheiten waren jedoch zu einem großen Teil so auffällig, dass sie auch bei oberflächlicher Betrachtung der Personalunterlagen eigentlich rasch hätten entdeckt werden müssen. Die Frage lag also nahe, wie dies bei den vorhergegangenen Audits, die in einem jährlichen Rhythmus stattfanden, unbemerkt blieben.
Wie sich herausstellte, war es zwar finanziell günstiger, das Controlling aller Dienstleister innerhalb eines Tages vorzunehmen, aber eben leider auch nicht zielführend. Was der Autor in Gesprächen mit den Sicherheitsunternehmen heraushörte war, dass man sich bei den vergangenen Überprüfungen zwei Stunden auf einen Kaffee zusammengesetzt und ein wenig über allgemeine Dinge sowie generelle Verfahrensweisen der Dienstleister unterhalten hatte. Der Sicherheits-Berater hat ein fundamental anderes Verständnis von Vertragscontrolling. Unabhängig vom Umfang der Beauftragung muss ein Auftraggeber am Ende des Audits zumindest die Aussage erhalten, ob sich der Dienstleister an die elementaren Rechtsgrundlagen des Bewachungsgewerbes hält.
Praxistipps:
Regelmäßige Vertragscontrollings sind absolut notwendig und aus Sicht des Sicherheits-Berater ein Muss. Sie sollten vertraglich vereinbart werden. Der Auftragnehmer muss das Audit aktiv unterstützen und dem Auditor unmittelbaren Zugriff auf die benötigten Unterlagen gewähren.
Ein Vertragscontrolling darf keine Alibiveranstaltung sein. Um belastbare Ergebnisse zu erhalten, müssen Inhalte und die verfügbare Zeit bzw. das Budget aneinander angepasst werden.
Wenn das (Zeit-)Budget für eine Überprüfung aller Sachverhalte nicht ausreicht, ist es besser, einen Schwerpunkt zu bilden, als gar kein Audit durchzuführen. Es bietet sich an, in einem solchen Fall den Schwerpunkt jährlich zu wechseln, um auf Dauer ein Gesamtbild zu erhalten.
Eine hundertprozentige Überprüfung ist in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchführbar. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Stichprobe ausreichend ist, bei der jeder Mitarbeiter anhand eines willkürlich ausgewählten Monats im Betrachtungszeitraum überprüft wird. Die Erfahrung zeigt, dass man mit dieser Methode ca. 70 – 80 Mitarbeiter an einem Tag überprüfen kann, wenn man unmittelbaren Zugriff auf die notwendigen Unterlagen hat.
Manche Auftraggeber argumentieren, dass eine korrekte Entlohnung und die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ausschließlich eine Sache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wäre. Grundsätzlich ist dies natürlich richtig, der Sicherheits-Berater wird aber nicht müde zu betonen, dass dieses Argument aus drei Gründen zu kurz greift.
Erstens: Die Leistung des Sicherheitsmitarbeiters wird am Werkstor oder dem Empfang des Auftraggebers erbracht. Mitarbeiter, die z. B. wegen falscher Lohnzahlungen unzufrieden sind, sind an Ihrem Tor unzufrieden und werden den Dienst entsprechend unmotiviert ableisten.
Zweitens: Viele Unternehmen haben heutzutage ein Compliancesystem, das sich auch auf Lieferanten und Dienstleister erstreckt. Stellt der Auftragnehmer nicht sicher, dass seine Mitarbeiter die Ruhepausen erhalten, verstößt er damit jeden Tag gegen das Compliancesystem seines Auftraggebers.
Drittens: Nach § 13 MiLoG und § 14 AEntG haftet ein Auftraggeber, wenn von ihm beauftragte Dienstleister nicht wenigstens den Mindestlohn bezahlen. Dem Auftraggeber kann dabei mittelbare Täterschaft unterstellt werden, wenn er nicht nachweisen kann, dass er alles ihm Mögliche getan hat, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter den Mindestlohn erhalten. Und was wäre hierzu geeigneter, als die Lohnabrechnungen der Mitarbeiter zu überprüfen?
Ein Vertragscontrolling steht in einem direkten Konflikt mit den Datenschutzregelungen, insbesondere, wenn man die Personalunterlagen überprüfen möchte. Daher sollte vertraglich vereinbart werden, dass Mitarbeiter, die am eigenen Objekt eingesetzt werden sollen, sich zuvor damit einverstanden erklären, dass im Rahmen solcher Audits Einsicht in die Personalunterlagen genommen werden darf.